Record Review | Grafi – Ektoplasma

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GrafiEktoplasma (Geistermusik 2020)
Hip Hop, Trap | DE


Als eine Mischung von Elementen aus Hip-Hop und Metal und der Auseinandersetzung mit inneren Ängsten präsentiert der Berliner Rapper Grafi sein neues Album Ektoplasma. Ein Konzept, das viel verspricht, einiges auch erfüllt, allerdings auch in vielem enttäuscht.

Grafi hat es sich mit seinem neuen Album Ektoplasma (Geistermusik 2020) zum Ziel gemacht, Trap mit Elementen aus Black Metal anzureichern und so ein gewagtes Crossover zu schaffen. Das hat natürlich unser Interesse in der Musikredaktion geweckt! Ich habe also das Album, gespannt, was mich erwarten möge, mehrfach gehört und stehe dem Ganzen mit einem lachenden und einem weinenden Auge gegenüber.

Trap und Black Metal, kann das überhaupt funktionieren?

Grundsätzlich gibt es einige Aspekte in beiden Stilen, so unterschiedlich sie auch anmuten mögen, die einem Crossover, als interessantes Konzept, in die Hände spielen.
Der offensichtlichste ist wohl der Sprechgesang, also zum einen das Screamen, zum anderen das Rappen. Immer wieder findet man bei sehr ausdrucksstarken oder vielseitigen Rapper*innen Parts, in denen sie für einige Worte in einen verzerrten Sound fallen. Besonders eindrucksvoll kann dieses Element sein, wenn cleane und verzerrte Sounds nahtlos ineinander übergehen.
Auch umgekehrt lassen sich bei versierten Screamern oft Parts entdecken, deren Geschwindigkeit oder rhythmische Komplexität sich vor der Hip-Hop-Szene nicht zu verstecken brauchen.

Aber auch in instrumentaler Hinsicht haben die beiden Genres einander Angebote zu machen. In beiden sind die düsteren Stimmungen oft von sphärischen Sounds geprägt, und die Beats können unheimlich energetisch geladen sein.

Wenn nun die unterschiedlichen Stilelemente noch künstlerisch anspruchsvoll mit Inhalten verknüpft werden und so helfen, die Botschaft des Tracks zu transportieren, steht einem gelungen Crossover und einem einzigartigen Album nichts im Wege.

Die Einzigartigkeit kann man Ektoplasma auch wahrlich nicht absprechen. In einigen Punkten schafft das Album auch das oben genannte Potenzial des Crossovers zu nutzen, besonders bei den Vocalparts. Zwar gibt es auch Stellen, wo der Stilmix aufgesetzt wirkt, die Probleme des Albums sehe ich aber eher in der Umsetzung der einzelnen Stilelemente selbst.

Blastbeats aus Plastik

Viele der Blastbeats auf dem Album, wenn auch nicht alle, klingen, als kämen sie aus dem Drumcomputer der Bontempi-Orgel des Alleinunterhalters aus dem Nachbarort. Ihnen fehlt es an Körper, Direktheit, Druck, also eigentlich an allem, was einen Blastbeat ausmacht. Das fällt besonders auf, da das Album abseits davon recht ordentlich klingt. Besonders die Trapbeats, die meist direkt vor oder nach einem solchen Blastbeat kommen, sind sehr druckvoll und verblasen die Blastbeats mit Leichtigkeit. Jene verlieren dadurch ihr ganzes Potenzial, dem Album ein bombastisches Element hinzuzufügen. Auch die gelegentlich angedeuteten Gitarrenparts haben mit einer kraftvollen Metal-Gitarrenwand wenig gemein. Die Metal-Elemente wirken für Metal-Fans deshalb, leider allzu oft, wie eine Karikatur von Hip-Hop-Produzierenden, die ein paar Metal-Tracks gesampelt haben.

Rapstil

Hier dringen wir natürlich tief in das Gebiet der „Geschmackssache“ vor. Ich möchte trotzdem an ein paar Dingen Kritik üben, die vielleicht im Trap sogar stiltypisch sein mögen, meiner Meinung nach dennoch nicht von großer musikalischer Fertigkeit zeugen. Die rhythmisch oft schon sehr anspruchslosen Rap-Phrasen, wie etwa lange, sich ständig wiederholende Achtel-Ketten, finde ich auf Dauer einfach öde. Das liegt vor allem daran, dass Grafis Flow nicht layed back genug, oder anders – interessant genug phrasiert ist -, um cool oder dreckig zu sein, aber auch nicht rhythmisch präzise genug, um energetisch oder antreibend zu wirken.

Inhalt

Den Begriff „Ektoplasma“ benutzt Grafi als Metapher für die „inneren Geister und Dämonen, heißt Ängste“, wie er in einem Interview mit Diffus preisgibt. In dem Album ginge es um Geschichten darüber, diese zu überwinden. Wenn man sich darauf einlassen kann, gelingt es Grafi an einigen Stellen über einzelne Assoziationen eine Stimmung zu vermitteln und soetwas wie eine Geschichte zu erzählen. An anderen Stellen wirken diese Fetzen von Eindrücken allerdings eher profan.

Die Hochs und Tiefs

Trotz der vielen Abstriche ist das Album sicher kein Totalausfall. Im Track Insomnia zum Beispiel gelingt das Crossover musikalisch sehr gut. Die Stimmung zieht sich durch und passt sowohl zum Trapbeat als auch zum Metal-Part. Hier klingen auch die Drums ganz in Ordnung. Der Text erlaubt es, in die Geschichte einzutauchen. Tracks wie diese sind es, die die Stärken des Konzepts vermuten lassen. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn in Tracks wie Dolch Saga, Plastikdosengehämmer wild mit bedeutungsfreien, pseudodeepen Texten durcheinander gewürfelt werden. Schade ist es bei diesem Track um die sehr coolen Synthparts in den Verses.

Die erste Single des Albums, Neptun, liefert einen ziemlich starken Trapbeat und einen der gelungeneren Texte. Mit sehr bildlicher Sprache beschreibt Grafi ein Gefühl von Abschottung, das noch von einer vergleichsweise eingängigen Hook begleitet wird. Allerdings gibt es auch in diesem Track wieder einen Blastbeat-Teil, mit den zu Genüge ausgeführten Problemen, gepaart mit etwas banal eingebauten Explosionssamples.

Zuletzt möchte ich noch auf den Track Dämmerung hinweisen, der kaum Elemente enthält, die typischerweise Trap oder überhaupt Hip-Hop zuzuordnen sind. Interessanterweise ist das einer der besseren Tracks. Ein langer, sphärischer Aufbauteil geht in einen Metal-Part mit triolischer Doublekick über – das alles musikalisch gut umgesetzt. Die Drum-Samples klingen zwar immer noch nicht wirklich gut, hier ist aber immerhin der Mix der Drums etwas besser gelungen.

Fazit

Ektoplasma hat ein vielversprechendes Konzept und in vielen Teilen auch gute musikalische Ideen. In einigen Bereichen gelingt allerdings die Umsetzung der Stilelemente aus Trap und Black Metal sowie deren Kombination nicht. Während viele Parts nach einer professionellen Produktion klingen, wirken andere eher wie ein schlechtes Demotape. Darum muss das Crossover wohl wirklich haargenau dem eigenen Geschmack entsprechen, damit man über die Macken hinwegsehen und Ektoplasma wirklich genießen kann.

Gitarre- und Tonmeister-Studium.
Band-member of Full Of Thoughts.
Teilzeit Physikstudent.
Teilzeit politisch aktiv.
Nie wirklich Zeit für die Teilzeit-Aktivitäten...

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