Eine Band, zwei Facetten. Wir haben SOLD von Anfang bis Ende begleitet, vor ihrem ersten Gig im Wiener Replugged im August 2018 bis zu ihrer letzten Show in der Arena im November 2019. Doch Totgeglaubte leben länger. Zwar ist SOLD Geschichte, doch lediglich der Name. Die Band besteht weiter, und ist bereits hochmotiviert, als Mommy Is Mental weiterhin die lokale Szene zum Beben zu bringen. Ein Rückblick in Wort und Bild.
Dieses Interview setzt sich aus zwei separat geführten Gesprächen im August 2018 und November 2019 zusammen, die editiert und passend zusammengefügt wurden. Die einzelnen Abschnitte sind zur Unterscheidung farblich gekennzeichnet, 2018 ist in rot gehalten, 2019 in blau. Eine schwarze Textzeile bedeutet, dass sie in beiden Jahren ident vorgekommen ist. Die beteiligten Gesprächsparterinnen sind Ella (Gesang), Lea (Gitarre), Mia (Bass) und Stella (Schlagzeug).
Sämtliche Bilder (c) Gabriel Niederberger
Stellt euch mal vor.
M: Namentlich oder die Band? (lacht) Wir sind SOLD.
E: Wir machen einen Mix aus Punk und Grunge Mukke.
Wie würdet ihr euren Sound beschreiben?
M: Also ich wäre immer noch bei Grunge Punk.
E: Ich auch (lacht).
M: Ranziger schon, bisschen härter.
E: Mittlerweile haben wir bisschen Screamen dabei, bisschen Rappen.
M: Wir haben uns in dieser Niesche entwickelt. Nicht rausentwickelt, sondern darin entwickelt.
Wann hattet ihr das erste Mal die Idee gemeinsam Musik zu machen?
E: Vor zwei Jahren (2016) im Sommer. Da waren wir nur zu dritt, das hat überhaupt nicht geklappt. Wir haben ein Jahr eine Nummer gespielt und das war ,,Violet“ von Hole.
M: Auf einem halbtoten, alten Schlagzeug von meinem Bruder (lacht) am Dachboden von den Großeltern in der Hinterbrühl.
Freut ihr euch auf die Show heute Abend?
E: Ja, absolut! Unsere erste offizielle Show! Wir haben auch schon einige Dinge für Herbst und Winter geplant.
L: Wir sind bisschen nervös, weil wir uns schon seit Monaten aufgeregt sind, wir spielen Arena, jetzt ist es aber im Endeffekt eh nicht so arg. Aber diese Nervosität hat sich bei mir angesammelt.
E: Jetzt ist der Tag endlich da, und es ist eben doch die Arena. Aber es ist schon echt schön hier zu spielen.
Wie viel Zeit steckt ihr allgemein in die Band?
E: Unterschiedlich..
S: Wir proben schon vier Mal die Woche vor einem Gig.
M: Beim Aufnehmen sowieso viel, vor den Gigs auch immer mehr. Im Durchschnitt treffen wir uns schon zweimal die Woche.
E : Dann verbringen wir aber den ganzen Abend im Proberaum.
Ihr seid ja alle sogar noch jünger als ich. Was ist der Reiz für junge Leute Musik zu machen?
E: Kunst auszuleben, eine Art zu finden, kreativ zu sein.
L: Eine politische Stimme zu haben.
E: Und sich auch nicht so nutzlos zu fühlen, weil man sich denken kann, das ist mein Projekt. Da kann ich wirklich alles reinstecken, da kann ich mich austoben.
E: Man braucht einfach Sachen, egal ob es Sport oder Musik ist, bei denen man sich auspowern kann, was man in der Freizeit machen kann.
Wie läuft euer Songwriting ab?
E: Ich schreib die rohen Songs. Mit denen komm ich zu den Proben, und dann ist es schon oft so, dass wir zusammen daran arbeiten, auch von den Instrumentals betrachtet. Ich komme mit Chords, Lyric, Melodie, und dann verpacken wir das.
M: Bei den Proben schauen wir was passt. Textlich schreiben wir auch öfters zusammen, aber da hatten wir in letzter Zeit wenig Gelegenheit dazu.
E: Da wir momentan sehr viel organisieren müssen und uns auf den EP-Release vorbereiten müssen, machen wir momentan gemeinsam nicht viel weiter. Die Zeit fehlt ein bisschen. Aber es passiert was, ich habe zwei, drei Nummern, wo ich weiß dass die gut für uns passen, wo wir gemeinsam gut dran arbeiten können. Es ist ähnlich wie früher, ich komm‘ mit der Idee.
M: Wir haben uns eigentlich schon immer dann zusammengesetzt.
E: Gemeinsam dran feilen, Dinge verändern, Sachen dazuschreiben.
E: Wir stehen jetzt noch echt am Anfang, wir haben fünf eigene Nummer, das wird sich sicher noch in andere Richtungen entwickeln, auch vom Musikstil her. Wir sind jedenfalls zufrieden dafür wie weit wir jetzt sind, auf welchem Level wir sind, das ist schon in Ordnung. Wir haben aber alle noch andere Vorstellungen, wir wollen, dass es noch etwas härter wird.
E: Wir haben jetzt zehn fertige Nummern.
Ist für euch Ästhetik und Auftritt auf der Bühne ebenso wichtig wie die Songs?
S: Genauso wichtig glaube ich nicht, aber es ist schon ein wichtiger Punkt.
E: Wir denken schon mehr drüber nach als vor einem Jahr. Wir probieren jedenfalls showtechnisch mehr daran zu feilen, dass eine Show musikalisch ist, dass es mehr Zusammenhänge hat mit Blocks, mit Interludes, von vorne bis hinten ein Paket wird.
S: Wir arbeiten noch dran (lacht).
E : Präsenz macht wahnsinnig viel aus, Erscheinungsbild, das kann so viel hermachen. Wir machen das gerne, uns zu gestalten.
L: Weniger für die anderen, weil wir da besser rüberkommen, einfach weil es uns Spaß macht.
L: Sowas wie optische Belangen sind jetzt mehr in den Hintergrund gerückt.
E : Glaube auch, weil es jetzt mehr Routine ist, weil man öfter Gigs hat.
M: Wir waren am Anfang so ,,Was ziehst du an, was ziehst du an?“.
E: Ja, noch voll aufregend (lacht).
Verzichtet ihr auf Reichweite und macht lieber nur das worauf ihr Bock habt?
Alle: Ja, schon.
M: Alles andere macht keinen Sinn, alles andere würde auch nicht funktionieren.
E: Da ist die Vorstellung auch ein bisschen absurd, kann das dann noch Spaß machen? Ich wäre schon bereit ein bisschen in die Richtung zu gehen, aber nur solange wir noch Spaß daran haben.
M: Ich könnte mir nicht vorstellen, dass wir nur um Geld zu verdienen wo spielen würden.
Wie funktioniert’s mit einer All-Female-Besetzung, wie sieht es aus mit Frau sein im Musikgeschäft?
L: Da könnten wir noch immer recht lange reden.
E: Man sieht halt fast nur männliche Musiker auf der Bühne, zumindest auf den Konzerten auf denen ich bin.
E: Es ist selten, aber ich hab das Gefühl, es wird mehr. Ich studiere Gesang, da ist es schon so, dass so gut wie alle weiblich sind, und die Instrumentalisten sind halt männlich. Das liegt einfach daran, dass sehr wenig Vorbilder da sind, mit denen man aufwächst, um sich selbst da sehen zu können.
M: Man denkt sich dann an jedem Abend, nach drei Bands mit nur Typen, es waren genauso viele Mädels im Publikum, warum stehen die nicht auch auf der Bühne?
E: Aber es war nicht Absicht, das hat sich bei uns einfach so ergeben. Es ist uns wichtig, dass wir nicht darauf reduziert werden, dass wir eine Girl Band sind.
M: Was aber ganz viel passiert!
E: Es sollte scheißegal sein, aber leider ist es das noch nicht. Es ist aber eigentlich auch zu unserem Vorteil, weil wir Mädchen sind, die Rock machen, und viele andere Acts vielleicht besser wären. Da werden trotzdem öfter wir genommen, weil wir eben Frauen sind.
L: ,,Super, da haben wir noch Frauen auf der Bühne an dem Abend, ma, schön!“
E: Voll, für die Frauenquote. Scheißegal wie eure Musik ist. Ich will genauso hören: ,,Ihr seid nicht gut“, nicht sowas wie: ,,Ihr seid gut, dafür dass ihr eine Mädchenband seid.“
S: Ich finde es auch schade, dass eine Frau, die Musik macht, das dann extra betonen muss. Ich finde, das sollte einfach ein Nebenfaktor sein.
E: Wie mit Abenden, Events, die All-Female sind.
S: Das sind Sachen, da werden wir oft eingeladen, einfach weil wir vier Frauen in einer Band sind, besonders in dem Genre. Das finde ich auch so bescheuert.
M: Ich finde es schon cool, wenn man solche Abende macht, um das in den Vordergrund zu rücken. Aber es immer ein bisschen ein Fail, weil dann oft nur die Sängerinnen weiblich sind und die Band trotzdem männlich. Das ist ein bisschen deprimierend.
E: Da passiert es dann auch oft, dass die Musik ein bisschen aus dem Kontext gerissen wird. Weiblichkeit steht da zwar im Vordergrund, aber das sollte ja schon egal sein, und wenn dann die Musikstile so überhaupt nicht zusammenpassen, ergibt das irgendwo wenig Sinn. Gehst du hin wegen der Musik oder um Frauen auf der Bühne zu sehen?
Was war die wichtigste Erfahrung, die ihr im letzen Jahr gemacht habt?
E: Auf jeden Fall Organisation. Immer wieder mehr dazugelernt. Bestimmte Dinge muss man früh genug angehen, damit es irgendwie hinhaut.
L: Auch Kommunikation ist wichtig. Gerade weil wir vier Köpfe sind, da müssen wir uns viel ausreden, uns die Zeit nehmen, um Sachen so zu organisieren, dass es für alle vier passt. Das ist auch immer sehr wichtig.
E: Aber eigentlich waren es so viele Erfahrungen.
S: Sich nicht zu viel Stress machen.
Habt ihr in eurer Karriere auch schon etwas Desillusionierendes erlebt?
E: Bis jetzt hatten wir keine total schrecklichen Erlebnisse.
M: Ein Taxifahrer hat mich auf dem Herweg als ,,Schatzi‘‘ bezeichnet, das war schon schlimm genug.
E: Im Juli. Enttäuschung, naja, wir fanden es witzig. Wir haben an einem Abend mit Marky Ramones Blitzkrieg gespielt. Wir sind in den Backstage gekommen, in Mödling, da war nicht viel Platz hinten. Das war ein Raum für alle, was er wohl nicht so gewohnt war. Wir sollten uns dann verpissen und in ein anderes Zimmer weiter hinten gehen. Wir waren nicht so ganz erwünscht.
L: Dann hat er uns auch noch eine Handvoll Bier auf den Tisch gestellt, damit wir ja nicht in den anderen Raum müssen (lacht).
M: Er hat auch dem Veranstalter vorgeschlagen, dass wir ein extra Buffet kriegen (alle lachen).
E: Das war dann zu viel, da hat er Veranstalter auch nur noch gelacht.
M: Aber als Ramone dann weg war, hatten wir eh eine gute Zeit mit den anderen Musikern seiner Band.
Wenn ihr euch ein Feature aussuchen könntet auf eurer Platte – wen würdet ihr nehmen?
E: Lzzy Hale (alle lachen).
E: Da hat sich bisschen was verändert.
L: Ich glaube da dürfen wir nicht so viel mitreden (alle lachen).
S: Bei mir wären es Foo Fighters.
M: Ich verweigere die Aussage.
M: Gaudehalber fallen mir die The Rumperts ein, weil wir schon paar Mal mit ihnen gespielt haben, das war schon witzig.
L: Damals haben wir wohl die Leute gesagt, die uns gefallen.
S: Da waren es aber noch voll unrealistische Leute.
L: Jetzt fällt mir aber niemand ein, wo ich mir denke, das würde auch passen (lacht). Nicht nur, dass es cool wäre, sondern auch, dass es passen würde.
S: Hab ich die Foo Fighters gesagt? (lacht)
Was sind Dinge, die ihr gerne früher gewusst hättet?
E: Ich glaube, wie wichtig es ist, Spaß zu haben, statt diesen Stress zu haben vor den Auftritten. Ich hab mir viel zu viel Stress gemacht vor Auftritten, in Wirklichkeit war es dann immer so wurscht.
S: Gut vorbereiten, aber dann trotzdem den Stress wegnehmen.
L: Und das Üben nicht vergessen, egal, wie oft man die Nummern schon gespielt hat! (lacht)
S: Und dass das Konzert meistens nicht so schlecht war, wie man selber denkt. Wenn man dann Videos danach sieht, ist es eh ganz okay gewesen, man selber hat’s voll als Drama erlebt.
Welche Geschichte gibt’s zu eurem Namen?
E: Für den Namen haben wir lange gebraucht, bis wir uns auf etwas geeinigt haben, was uns allen gefallen hat im Endeffekt.
M: Der Name selbst kam ja aus einem Lied. Das erste Lied, welches wir unser eigenes nennen können, heißt ,,Sold Out“.
E: Die erste Nummer heißt eben ,,Sold Out“. Da ist mir die Idee gekommen, dass SOLD eigentlich ein recht schöner Name wäre. Mit der Zeit haben wir mehr drüber nachgedacht, was für eine Bedeutung das für uns hat.
Warum die Namensänderung?
E: Wir können uns mit SOLD nicht mehr – oder konnten uns auch nie so gut – identifizieren.
M: Damals war es so: Wir fangen jetzt an zu spielen, wir haben schon ein paar Lieder, wir müssen jetzt einen Namen haben. Das war das Erste, was da war, worauf wir uns irgendwie einigen konnten.
L: Was alle okay fanden. Niemand so 100% zufrieden, aber das war der Name, den alle in Ordnung fanden. Dann dachten wir uns, wenn wir jetzt doch noch mehr rausbringen, dann sollten wir wenn dann jetzt den Namen ändern, etwas, womit alle wirklich zufrieden sind.
E: Das sind wir jetzt, und es ist auch catchy. Ich glaube, dass man sich bei Mommy Is Mental auch ein bisschen mehr darunter vorstellen kann, dass es mehr zu uns passt.
M: Und es löst auch irgendwas im Gehirn aus. Nicht so wie SOLD, ich finde das macht nix.
L: Voll, SOLD ist so eh cool, es passt, nicht mehr.
M: So schön rund, und förmig, und man liest drüber.
L: Bei Mommy Is Mental denkt man sich vielleicht ,,Hä? Ich will mehr wissen!“, hoffentlich!
Was sind eure letzten Worte?
E: Wir freuen uns voll auf die nächste Zeit auf jeden Fall, und alles, was auf uns zukommt!
M: Wir sind nicht straight edge, Prost!
Mommy Is Mental veröffentlichen ihre erste EP im Zuge einer Release Show mit Artwork Exhibition von Lina Binder und Lennard Schön am 22.12.2019 im Weberknecht. Mehr Infos hier!