Während durch die Corona-Pandemie große Teile des wirtschaftlichen Lebens lahmgelegt wurden, hat sich gezeigt, welche Arbeiten für das Funktionieren unserer Gesellschaft unerlässlich sind. Die Lasten der Krise werden mehrheitlich von Frauen gestemmt, gleichzeitig droht ihnen, am stärksten von den sozialen und wirtschaftlichen Folgen betroffen zu sein.
Als sich abends um 18 Uhr die Fenster öffneten und tosender Applaus die Straßen erfüllte, wurden Menschen zu Held*innen erklärt, deren gesellschaftlicher Beitrag bis dato nahezu unbeachtet war. Ein Akt der Solidarität, der die Leistung jener systemtragenden Berufe in den Vordergrund rückte, ohne die die Bewältigung der Krise unmöglich wäre. Viele dieser Berufe werden mehrheitlich von Frauen ausgeführt.
Es sind die Kranken- und Altenpflegerinnen, die Kindergartenpädagoginnen und Lehrerinnen, die Versorgerinnen, die den Haushalt schmeißen, während sie sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmern. Es sind all jene Frauen, die unsere Gesellschaft oft still und unsichtbar am Laufen halten – zumeist unbezahlt, in jedem Fall jedoch unterbezahlt.
Mittlerweile ist das Klatschen auf den Balkonen verstummt – an den Ausbeutungsverhältnissen und der mangelnden Wertschätzung gegenüber bezahlter und unbezahlter Care-Arbeit hat sich jedoch nichts geändert.
Unerlässlich, aber nicht wertgeschätzt
Der Begriff Care-Arbeit umfasst alle Tätigkeiten des Sorgens und sich Kümmerns. Dazu zählen bezahlte Dienstleistungen wie die Kinderbetreuung oder Altenpflege genauso wie unbezahlte, innerhalb der Familie ausgeführte Haus- und Pflegearbeit.
Geringschätzung und Unterbezahlung von Care-Arbeit wurzeln im Privaten. Kochen, putzen, das Kind zur Schule bringen, zu sehen, dass der Kühlschrank voll ist – um nur einige Beispiele zu nennen für jene unerlässlichen Tätigkeiten, die gesellschaftlich noch immer zur Frauensache erklärt werden. Der Ungleichverteilung von Care-Arbeit unter den Geschlechtern wird eine Selbstverständlichkeit zugesprochen. Sie wird zum Zeichen von Liebe und Zuneigung erklärt und mit einer Art „natürlichen“ Rollenverteilung begründet.
Rund 9 Milliarden Stunden unbezahlter Haus- und Pflegearbeit werden in Österreich jährlich geleistet – zwei Drittel davon von Frauen. Welche hohe wirtschaftliche Bedeutung dieser Arbeit zukommt, zeigt sich dann, wenn wir ihr einen monetären Wert geben. Bei einem Durchschnittslohn in der Höhe von 12 Euro die Stunde, wäre das Ergebnis eine jährliche Arbeitsleistung, die etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht, erzählt uns die Ökonomin Dr. Katharina Mader im Interview.
„Mama macht das schon“
Die Corona-Pandemie hat das ohnehin schon krisenanfällige System der bezahlten und unbezahlten Care-Arbeit ins Kippen gebracht. In Zeiten von Schul- und Kindergartenschließungen landet die vormalig ausgelagerte Care-Arbeit wieder in den Haushalten – dort sehen sich vor allem Frauen in einer doppelten Verantwortung.
Morgens dafür zu sorgen, dass das Kind rechtzeitig in die Biologiestunde über Zoom eingeloggt ist, nach der Schule noch bei den Mathehausaufgaben zu helfen, innerhalb der verkürzten Öffnungszeiten den Einkauf zu erledigen, damit abends ein warmes Essen auf dem Tisch steht. Was im Laufe des Tages an Arbeit liegen bleibt, wird mit letzter Energie nachgeholt, sobald die Kinder im Bett sind.
Die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit mit der eigenen Berufstätigkeit zu jonglieren, gleicht unter diesen Umständen einem Hochleistungssport. Und dieser benötigt einen langen Atem, denn noch kann niemand voraussagen, wie lange Einschränkungen und Mehrfachbelastung noch anhalten werden.
Zurück in die 50er?
Die Situation der vergangenen Monate lässt bei vielen Beobachter*innen die Alarmglocken schrillen. Die Pandemie bedrohe jahrzehntelang hart erkämpfte Fortschritte in der Gleichstellung. Obwohl Frauen jetzt die Held*innen der Krise sind, werden auch sie es sein, die wirtschaftliche und soziale Folgen am härtesten spüren. Es scheint eine Art stille Übereinkunft zu geben, dass Frauen beruflich zurücktreten, um dort einzuspringen, wo die Krise Löcher in das Care-Versorgungsnetz gerissen hat. Rund 85 Prozent der durch die Corona-Krise bedingten Arbeitslosen sind Frauen. Dies droht ökonomische Abhängigkeiten noch weiter zu verschärfen und wird sich auch zu Lasten zukünftiger Berufschancen und Pensionshöhen auswirken. Befinden wir uns gerade auf einer Zeitreise zurück in die 50er?
„Tatsächlich gibt es keine Retraditionalisierung, sondern wir sind aus der Zuschreibung von unbezahlter Haus- und Pflegearbeit als Zuständigkeit der Frau niemals herausgekommen“, so Dr. Katharina Mader. Bereits vor der Krise waren es ganz klar Frauen, die den Großteil dieser Arbeit getragen haben. Kindergartenpädagoginnen, Hortbetreuerin, die migrantische Haushaltshilfe oder die Großmutter – sie haben das abgefangen, was nun an zusätzlicher Belastung in die Familien zurückgeflossen ist. „Die Krise hat nur das Vergrößerungsglas darauf gehalten, wie es immer schon war.“
Raus aus der Gender-Care-Gap!
Doch was benötigt es nun, um die Gender-Care-Gap zu überwinden? Und könnte die Corona-Krise nicht auch der notwendige Dominostein sein, um eine Veränderung anzustoßen?
So optimistisch dieser Gedankengang auch klingen mag, erkennt Dr. Katharina Mader in den Erfahrungen der Pandemie nur bedingt Veränderungspotential. „Menschen wollen in Krisenzeiten tendenziell immer das Bekannte zurück – egal wie schlecht das Bekannte auch war.“
Die Krise habe zwar gezeigt, was notwendig ist, aber nicht wie schwierig die Bedingungen sind. „Wir reden ja gerne über Ausbeutungsverhältnisse in der Erwerbsarbeit, aber wir reden eigentlich nie darüber, was davor eigentlich für Ausbeutungsverhältnisse vorgelagert sind im Privaten. Da hat niemand hingeschaut, oder niemand gerne hingeschaut.“
Um der Mehrfachbelastung von Frauen durch unbezahlte Haus- und Pflegearbeit zu begegnen, bräuchte es nachhaltige Veränderungen anstatt schneller Symptombekämpfungen. Es benötige einen Wandel in der Unternehmenskultur, verpflichtende Karenzzeiten und einen Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuung. Längerfristig sollte auch über eine generelle Arbeitszeitverkürzung oder ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert werden. Am wichtigsten sei es aber, all diese Schritte mit Sensibilisierungsmaßnahmen zu verknüpfen. Dazu gehört auch, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Verteilung unbezahlter Care-Arbeit keine reine Entscheidung des Privaten ist – sie ist politisch!