Die rechten Kräfte der Coronademos – ein Kommentar

/
7 mins read
Start

Titelbild: © Markus Spiske / Unsplash 

Knapp 2.000 Menschen fanden sich vergangenes Wochenende trotz Demonstrationsverbots auf dem Wiener Ring ein, um gegen Lockdown, Hygienemaßnahmen und das Regierungshandeln zu protestieren. Dass Mund-Nasen-Schutzmasken und Sicherheitsabstände weitgehend ignoriert wurden, wiegt schwer angesichts des Ausnahmezustandes unter dem Ärzt*innen und medizinisches Personal weiterhin arbeiten, um den steigenden Infektionszahlen zu begegnen. Ebenso, dass die Demos zunehmend zum Instrument einer extremen Rechten werden.

Für einen Augenblick lang im Frühjahr war es leicht gewesen, die aufkeimenden Coronademonstrationen zu ignorieren und sich stattdessen einen Spaß daraus zu machen, sich gegenseitig die Verschwörungsmythen aus den Unweiten sozialer Medien zu erzählen, als wären es Gruselgeschichten am Lagerfeuer.

Die Ernsthaftigkeit der Situation traf uns spätestens dann wie ein Faustschlag, als deutlich wurde, dass Verleugnung der Pandemie und der Widerstand gegen die Maßnahmen zu einem bindenden Glied unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen wurden. Die Demonstrationen bieten Zulauf für ein breites Spektrum an Wutbürger*innen, Verschwörungstheoretiker*innen und Querdenker*innen über jede ideologische Trennung von „Links“ und „Rechts“ hinweg. Als auf den Demonstrationen Regenbogenfahnen neben Reichsflaggen geschwenkt wurden, war das auch der Moment einer neuen Normalisierung rechtsradikaler und antidemokratischer Positionierung.

Coronademos als Symptom einer Krise

Obwohl es diesen Tendenzen ohne Frage Gegendruck zu leisten gilt, muss die öffentliche Antwort auf die Corona Demonstrationen dennoch differenzierter ausfallen. Es mag eine einfache Schlussfolgerung sein, alle Teilnehmer*innen der Demos als „Covidioten“ in eine Schublade zu stecken, die man am liebsten nicht mehr öffnen möchte. Doch sollte man sich die Frage stellen, ob es nicht eben jene ausschließenden Mechanismen sind, die die populistische Mobilisierung durch Maßnahmengegner*innen weiter vorantreiben.

Der Unmut weiter Bevölkerungsteile gegen die Regierung und die öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen zeigt sich möglicherweise nur als Symptom einer Krise der repräsentativen Demokratie, die sich schon seit längerem wie eine Krankheit durch unsere Gesellschaft zieht. Er wurzelt in bereits bestehenden sozialen und ökonomischen Differenzen, die durch die Pandemie unverkennbar zu Tage getreten sind. Wie soll man an die Sinnhaftigkeit von Social Distancing Maßnahmen glauben können, wenn man dennoch jeden Morgen dazu gezwungen ist, die überfüllte U-Bahn zu seinem Arbeitsplatz zu nehmen? Wie kann man begreifen warum Schilifte mit allen Mitteln geöffnet bleiben, während die eigene Existenz zu Grunde geht?  

Während das öffentliche Leben zur Bekämpfung der Pandemie drastisch eingeschränkt wurde, hat es die Regierung nicht geschafft, eine adäquate Antwort auf die strukturellen Ungleichheiten zu bieten, welche sich in der Verborgenheit der eigenen vier Wände durch die Krise nur noch weiter verschärft haben.

Wie sich die Rechte die Pandemie zu Nutze macht

Dieser konstante Zustand der Verunsicherung, der Monate des Lockdowns und der sozialen Isolation hat viele Menschen für die populistische Stimmungsmache einer extremen Rechten anfällig gemacht. Das Gefühl der Menschen, von der Politik und Gesellschaft alleine gelassen worden zu sein, wird durch die Verbreitung von Hassreden und Verschwörungsmythen gezielt genutzt, um einen tiefen Graben zwischen dem vermeintlichen „Volk“ und einer „korrupten Elite“ zu ziehen.

Es ist dabei kein Zufall, dass Verschwörungsmythen in der Bevölkerung mittlerweile so weite Verbreitung finden. Die tiefgreifenden Einschnitte in das tägliche Leben und die Überflutung mit teils widersprüchlichen Informationen von Politiker*innen und Expert*innen wecken Ängste und Unsicherheiten in den Menschen, auf die solche Ideologien eine einfache und greifbare Antwort bieten. Dass viele Anhänger*innen von Verschwörungsmythen bereits vor der Krise Verlierer*innen des Systems waren, spiegelt den Vertrauensverlust in die etablierte Politik und die Entfremdung vom Glauben an ein demokratisches Teilhaberecht wider. Genau hier schafft es die Rechte, eine Alternative zu bieten und ihre rassistische und demokratiefeindliche Ideologie zu einer legitimen Antwort auf die vermeintliche Unterdrückung durch das politische Establishment zu machen.

Nicht umsonst hat es sich die FPÖ mittlerweile zu ihrem Kernthema gemacht, gegen den „Corona-Wahnsinn“ und die „Beraubung der bürgerlichen Freiheiten“ vorzugehen. Indem sich Figuren wie Herbert Kickl oder Norbert Hofer an die vorderste Front der Coronademonstrationen begeben, kanalisieren sie die Wut und Unzufriedenheit der Menschen. Dies ist insbesondere gefährlich, da ihnen die Coronakrise Gelegenheit bietet, in breite Teile der Bevölkerung vorzudringen und rechtsnationalistische Ideologie salonfähig zu machen.

Die Gräben überwinden

Die Pandemie und ihre Folgen haben unser alltägliches Leben und unsere gewohnten Freiheiten in eine unvermittelte Schockstarre versetzt. Dies machte auch soziale und ökonomische Missstände sichtbar wie nie zuvor. Es fällt leichter, sich über „Covidioten“ zu amüsieren, wenn man dies aus der Komfortzone einer Eigentumswohnung und eines gesicherten Arbeitsplatzes tun kann. Um dem zunehmenden Unmut großer Teile der Bevölkerung und ihrer Mobilisierung durch die extreme Rechte zu begegnen, müssen jedoch Gräben überwunden werden, anstatt neue zu schaffen.

Was es jetzt benötigt, ist eine starke Antwort auf die populistischen Kräfte von Maßnahmengegner*innen zu bieten. Dazu gehört auch zu erkennen, dass die Coronademos nur ein Symptom einer tieferliegenden Krise der repräsentativen Demokratie sind, die in systematischen gesellschaftlichen Ungleichheiten wurzelt. Anstatt ohnehin schon vulnerable Gruppen noch weiter an den Rand zu drängen, müssen ihre Sorgen und Unsicherheiten ernst genommen werden und jenen Hilfe geleistet werden, die sie am meisten benötigen. Nur so können wir einen solidarischen Weg durch die Pandemie finden und das beschädigte Vertrauen in die Demokratie auch nach der Krise wiederherstellen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Previous Story

Schnitzel, Schifahren, Sudern - "Was geht, Österreich?" | Rezension

Next Story

Soll Joe Biden den Mindestlohn verdoppeln? - "Es ist eine Frage der Humanität"