An den österreichischen Hochschulen finden von 18.-20. Mai wieder ÖH-Wahlen statt. Es sind so viele Studierende wahlberechtigt wie noch nie. Doch die Wahlbeteiligung, die 2019 mit rund 25% schon gering war, könnte dieses Jahr pandemiebedingt noch weiter sinken. Dabei sind so viele Studierende wahlberechtigt wie noch nie. Wer im Vorfeld eine Wahlkarte beantragt hat, kann von zu Hause wählen. Doch auch an den Standorten der Universitäten und Fachhochschulen kann die nächsten Tage gewählt werden. Wir haben für Spätentschlossene zusammengefasst, wofür die wahlwerbenden Fraktionen stehen.
Was fast alle wollen:
Ausbau der Digitalisierung, kostenloses oder zumindest günstiges Öffiticket für ganz Österreich, Ausbau der Infrastruktur, längere oder 24/7 Öffnungszeiten der Bibliotheken, bessere Bedingungen für leistbares Wohnen, Kinderbetreuungsangebote
AktionsGemeinschaft (AG)
Für die ÖVP-nahe Fraktion steht die Servicepolitik der ÖH im Vordergrund. Dementsprechend sind Forderungen wie die ausschließliche Verwendung von ÖH-Beiträgen für Serviceleistungen mit Studierendenbezug, der Ausbau von diversen Serviceleistungen und die Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats zentral. Außerdem fordert die AG unter anderem den Abbau von Voraussetzungsketten, mehr freie Wahlfächer, Erleichterungen bei Anrechnungen und Studienwechseln und einen Ausbau der Leistungsstipendien. Das ECTS-System soll österreichweit harmonisiert und die StEOP reformiert werden. Den Studierenden sollen fünf, statt bisher drei, Prüfungsantritte ermöglicht werden. Wenn Studierende bei Seminararbeiten oder anderen Abgaben nicht gendern, soll das nicht negativ in die Benotung einfließen.
Geht es nach der AG, soll das momentane System der Studienbeiträge beibehalten werden, erwerbstätige Studierende sollen aber davon befreit werden. Zudem sollen Drittmittel stärker in die Finanzierung der Hochschulen eingebunden werden. Momentan können Studierende bis zum 27. Lebensjahr bei ihren Eltern mitversichert sein, diese Altersgrenze will die Aktionsgemeinschaft aufheben. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, möchte die AG im Wissenschaftsministerium einen Studierendenanwalt einsetzen. Ein im Kontext der ÖH-Wahlen oft heiß diskutiertes Thema sind auch Zugangsbeschränkungen. Hier spricht sich die AG für ein dreistufiges „Zugangsmanagement“ aus.
[tl; dr]
- Serviceleistungen in den Vordergrund der ÖH Arbeit stellen
- Zugangsmanagement und Beibehaltung der Studienbeiträge (Erwerbstätige wären davon befreit)
- Erleichtere Studienbedingungen: mehr Prüfungsantritte, harmonisiertes ECTS System, Steop Reform
- Einrichtung eines Studierendenanwalts
JUNOS
Die Kernforderung, die die JUNOS von allen anderen Fraktionen unterscheidet, sind nachgelagerte Studiengebühren. Das wären zweckgerichtete Beiträge, die direkt zurück in die Hochschulen fließen sollen. Dabei legt die Universität einen Betrag fest, der nicht höher als 500 Euro pro Semester sein darf. Gezahlt werden muss aber erst, wenn das Studium abgeschlossen ist, und zwar abhängig vom Einkommen. Das staatliche Unibudget soll auf 2% des BIPs erhöht und die Finanzierung über Drittmittel erhöht werden.
Was die Verbesserung der Studienbedingungen betrifft, sollen Anwesenheitspflichten reduziert und mehr freie Wahlfächer angeboten und Voraussetzungsketten abgebaut werden. Auch die Junos fordern eine 24/7 Bibliothek. Viele Studierende arbeiten nebenbei. Deshalb soll man die Möglichkeit haben, zu Beginn des Semesters zu entscheiden, ob man ein Teilzeitsemester einlegen möchte, das (bei Absolvierung von Prüfungen im Ausmaß von maximal 16 Ects) auch nur als halbes Semester gewertet wird. Relevant wäre das vor allem für die Berechnung der Familien- oder Studienbeihilfe. Um die Qualität der Lehre auch bei überlaufenen Studiengängen sicherzustellen, sollen Aufnahmeverfahren in mehreren Schritten eingeführt werden. Dafür würden sogenannte Knock-Out Prüfungen abgeschafft. Diese seien nichts anderes als versteckte Zugangsbeschränkungen, so die JUNOS. Die Studienbeihilfe, Bildungsdarlehen und Leistungsstipendien sollen ausgebaut werden. Um auch für die psychische Gesundheit der Studierenden zu sorgen, möchte man bei den JUNOS u.a. Beratungsstellen ausbauen und für z.B. Psychotherapie finanzielle Unterstützung anbieten.
Die ÖH selbst soll grundsätzlich umstrukturiert werden. Die JUNOS wollen ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in der ÖH nach dem ersten Semester, mehr Partizipation der Studierenden, ein Einsichtsrecht in die Finanzen der Hochschülerschaft und mehr öffentliche Ausschreibungen für ÖH-Posten. Das allgemeinpolitische Mandat soll abgeschafft werden. Die Mitbestimmung in universitären Angelegenheiten, beispielsweise im Senat, möchte man aber stärken.
Das allgemeinpolitische Mandat ist im österreichischen Hochschülerschaftsgesetz geregelt. Dort heißt es, der ÖH obliege die „Vertretung der allgemeinen und studienbezogenen Interessen ihrer Mitglieder.“ Zwar muss ein Bezug zu den Interessen von Studierenden hergestellt werden, dieser Spielraum lässt sich allerdings rechtlich weit auslegen. So können die Vertretungen über das allgemeinpolitische Mandat zu allen möglichen gesellschaftlichen und politischen Themen Stellung beziehen. Vor allem linke Fraktionen betonen die Wichtigkeit dieser Möglichkeit, konservative und rechte Fraktionen lehnen das allgemeinpolitische Mandat eher ab.
[tl; dr]
- Nachgelagerte Studiengebühren
- Ende der Pflichtmitgliedschaft
- Möglichkeit eines Teilzeitsemesters
- Ausbau von Beihilfen und Stipendien
- Abschaffung des allgemeinpolitischen Mandats
VSStÖ (Verband sozialistischer Student*innen)
Der VSStÖ lehnt, wie auch andere linke Fraktionen, Studienbeiträge in jeder Form ab. Finanziert werden sollen die österreichischen Hochschulen durch öffentliche Mittel. Studierende aus Arbeiterfamilien sollen besonders gefördert werden, um die Aufstiegschancen zu erhöhen – zum Beispiel in Form von Workshops und Beratungsangeboten. Ähnlich wie auch die JUNOS fordern sie die Möglichkeit, ein Teilzeitstudium zu absolvieren. Ein Ausbau der Digitalisierung wird von allen kandidierenden Fraktionen gefordert, der VSStÖ möchte einen zusätzlichen Digitalisierungsbonus in der Höhe von 300 Euro für Studierende ermöglichen. Davon sollen Grundausgaben, wie beispielsweise der Internetzugang finanziert werden. Die Studienbeihilfe will der VSStÖ weiter ausbauen und kostenlose Krankenversicherung und Psychotherapie für Studierende ermöglichen. Auch Frauenförderung ist dem VSStÖ ein Anliegen. Die Hochschulen sollen verpflichtet werden, dazu Pläne vorzulegen. Mit Schulungen, die gegen Sexismus sensibilisieren und einer Offenlegung der Gehälter an den Hochschulen möchte man Diskriminierung entgegenwirken.
Beim VSStÖ heißen die Zauberworte für bessere Studienbedingungen, ähnlich wie auch bei anderen Fraktionen: mehr Prüfungsantritte pro Semester und die Abschaffung von Knock-Out Prüfungen. Die Mindeststudienzeit möchte man evaluieren und an die Studienrealität anpassen.
[tl; dr]
- bessere Förderung von Studierenden aus Arbeiterfamilien
- Abschaffung der Studienbeiträge
- Möglichkeit eines Teilzeitstudiums
- Mehr Prüfungsantritte, keine Knock-Out Prüfungen
- Digitalisierungsbonus
GRAS (Gründe und Alternative Student*innen)
Während die klimafitte Hochschule in fast allen Wahlprogrammen verankert ist, legt die grüne Vertretung wenig überraschend, einen Schwerpunkt auf nachhaltige Entwicklungen. Die österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sollen bis 2030 klimaneutral werden. Wie auch die anderen linken Fraktionen setzt sich die grüne Studierendenfraktion für eine Abschaffung aller Studiengebühren ein. Um die Unifinanzierung sicherzustellen, soll das Budget um 20% erhöht werden.
Eine Forderung, die sich in sonst keinem Wahlprogramm findet, ist ein Grundstipendium für alle Studierenden in der Höhe von 850 Euro monatlich für maximal 14 Semester. Dafür soll dann bei Familien- und Studienbeihilfe gespart werden. Kommen Studierende von außerhalb der EU, möchte die GRAS ihnen einen Zugang zu Beihilfen und Stipendien ermöglichen. Da viele Studierende während oder nach ihrem Studium auf Jobsuche sind, sollen sie verstärkt Unterstützung durch das AMS bekommen. Auch die GRAS fordert ein Teilzeitstudium, mehr freie Wahlfächer und eine Reform der StEOP. Dabei soll man schon zu studieren beginnen können, auch wenn man noch in der Schule ist, also während der Oberstufe. Knock-Out Prüfungen sind ihnen, ähnlich wie anderen Fraktionen, ein Dorn im Auge.
Das allgemeinpolitische Mandat soll gestärkt werden. Die GRAS fordert eine „queerfeministische“ Hochschule. Das heißt unter anderem: Lehrveranstaltungen zu Genderthemen in allen Studiengängen, verstärkte Sensibilisierung von Lehrenden, kostenfreie Menstruationsartikel, Unisextoiletten in allen Hochschulen, ein kostenloses Angebot zur Kinderbetreuung, einen Ausbau der Anlaufstellen und eine 50% Quote in allen Hochschulgremien. Während Fraktionen wie die AG oder der RFS fordern, dass nicht gegenderte Arbeiten nicht schlechter benotet werden dürfen, möchte die GRAS das Gegenteil davon erreichen: Gendersensible Sprache soll bei allen Abgaben verpflichtend sein. Auch Antirassismus spielt für die grüne Fraktion eine wichtige Rolle. Studierende, die außerhalb der EU kommen, sollen keine Studiengebühren zahlen. Forschende und Studierende mit Migrationshintergrund möchte man verstärkt fördern. Für Betroffene jeglicher Diskriminierung soll es Safe Spaces geben. Wie diese aussehen sollen, wird nicht erwähnt.
[tl; dr]
- klimaneutrale Hochschule bis 2030
- Grundstipendium (850 Euro monatlich)
- „queerfeministische“ und antirassistische Hochschule
- keine Studiengebühren
- keine Zugangsbeschränkungen
- allgemeinpolitisches Mandat stärken
KSV-LiLi (Kommunistischer Student*innenverband – Linke Liste)
Der KSV-LiLi hat das kürzeste Wahlprogramm, das sich zudem eher an grundsätzlichen Schwerpunkten als konkreten Forderungen orientiert. So möchte man eine feministische, barrierefreie und antirassistische ÖH und setzt sich für die Verwirklichung der Utopie einer kommunistisch-marxistischen Gesellschaft ein. Daher soll auch das allgemeinpolitische Mandat beibehalten und gesellschaftskritische Inhalte in der Lehre forciert werden. Der Zugang zu Hochschulbildung soll offen und ohne Einschränkungen möglich sein, Studienbeiträge oder Zugangsbeschränkungen lehnt die kommunistische Liste daher ab. Die Bekämpfung der Klimakrise ist zwar auch dem KSV Lili ein Anliegen, soll aber nicht über die Änderung im individuellen Verhalten, sondern die „Überweindung des Kapitalismus“ erreicht werden. Bildung soll außerdem basisdemokratisch organisiert werden, die Universitäten sollen sich selbst verwalten.
KSV-KJÖ (Kommunistischer Student*innenverband)
Was die beiden kommunistischen Fraktionen voneinander unterscheidet, war auch dieses Jahr Thema bei der Elefantenrunde Anfang Mai. So richtig weiß das nämlich keiner. Der Blick ins Wahlprogramm verrät: In den Grundsätzen gibt es viele Parallelen, der KSV-KJÖ stellt aber konkretere Forderungen. Auch der KSV-KJÖ lehnt Studienbeiträge ab, finanziert werden sollen die Hochschulen von staatlicher Hand. Das Budget möchten sie erhöhen. Auch beim Thema Soziales hier gibt es viele Überschneidungen mit anderen linken Fraktionen: z.B. Ausweitung der Beihilfen, Rückerstattung der Studiengebühren für die Zeit der Coronakrise und eine Krankenversicherung für Studierende. Zugangsbeschränkungen sollen abgeschafft werden. Studierenden aus Drittstaaten will man kostenlose Deutschkurse anbieten und die Studiengebühren erlassen, außerdem braucht es laut KSV-KJÖ einen vereinfachten Zugang zur Aufenthaltsgenehmigungen und zum Arbeitsmarkt. Zudem betont der KSV, Rüstungsforschung an den Universitäten nicht zu unterstützen.
RFS (Ring freiheitlicher Studenten)
Ähnlich wie auch die AG und die JUNOS möchte der FPÖ-nahe Ring freiheitlicher Studenten eine „unpolitische, neutrale“ ÖH, die ihre Hauptaufgabe in Serviceleistungen sieht. Das allgemeinpolitische Mandat wird vom RFS daher ebenso abgelehnt, wie Referate, die keinen direkten hochschulpolitischen Bezug aufweisen. Finanzielle Mittel der ÖH sollen nur für Beratung und Interessensvertretung verwendet werden. Die Pflichtmitgliedschaft in der ÖH soll abgeschafft werden. Die finanziellen Mittel der ÖH sollen transparent offengelegt werden. Finanzieren möchte man die Hochschulen weitgehend so, wie das bisher der Fall ist. Nicht-österreichische Studierende sollen nicht von den Studiengebühren befreit werden. Was die Studienbedingungen betrifft, soll unter dem Schlagwort „Bologna Neu“ die Anwesenheitspflicht verringert, mehr freie Wahlfächer angeboten und Studienwechsel vereinfacht werden. Studierende sollen nicht zum Gendern verpflichtet werden dürfen. Ein Punkt, der sich in sonst keinem Wahlprogramm findet und auch bei der Elefantenrunde vom Spitzenkandidaten immer wieder hervorgehoben wurde: Das Tragen einer Maske soll als Ersatz zum (momentan verpflichtenden) Coronatest gelten. Außerdem positioniert sich der RFS gegen den „Impfzwang“, den gibt es allerdings nicht.
FLÖ
Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Fraktionen besteht darin, dass die FLÖ parteipolitisch unabhängig sind. Im Selbstverständnis positionieren sie sich aber eher links. Daher lehnen sie, wie auch die anderen linken Fraktionen, Studiengebühren ab. Finanziert werden sollen die Universitäten durch öffentliche Hand, Hochschulen sollen nicht von Drittmitteln abhängig sein. Statt wie bisher die Mindeststudienzeit soll die durchschnittliche Studiendauer als Berechnungsgrundlage für Beihilfen dienen, Berufstätigkeit und Betreuungspflichten sollen berücksichtigt werden. Auch die Fachschaftslisten setzen sich für die Einführung eines Teilzeitstudiums ein, allerdings vorwiegend an den Fachhochschulen.
Ein wesentliches Stichwort im Wahlprogramm der FLÖ ist „Studierbarkeit“. Darunter fallen für die Fachschaftslisten die Möglichkeit, individuelle Schwerpunkte im Studium setzen zu können, mehr Wahlfreiheit zu haben, Modularisierung und erleichterte Anerkennung von beispielsweise Prüfungen aus anderen Fächern. Da die meisten Prüfungen während der Coronakrise zu Hause geschrieben werden, soll es so etwas wie ein Recht auf Privatsphäre bei Onlineprüfungen geben. Damit die Qualität in der Lehre auch sichergestellt werden kann, soll dafür eine unabhängige Stelle eingerichtet werden, darüber hinaus möchte man Didaktikschulungen für Lehrende verwirklichen und dafür sorgen, dass Lehrende und Hochschulen mit Konsequenzen zu rechnen haben, wenn sie ihre Pflichten nicht erfüllen. Auch soll es an allen Hochschulen eine Ethikplattform geben. Auch die FLÖ erachtet die Themen Geschlechtervielfalt, Barrierefreiheit und Antidiskriminierung als wichtig und schließt sich damit auch in Hinblick auf konkrete Forderungen den anderen linken Fraktionen an. Damit die ÖH handlungsfähiger wird, sollen Studierendenvertretungen in Gremien mit einer Drittelparität vertreten sein. Die verschiedenen Ebenen der Vertretungen und Referate sollen sich außerdem besser vernetzen.
[tl; dr]
- parteipolitische Unabhängigkeit
- Studierbarkeit
- Privatsphäre bei Onlineprüfungen
- Ethikplattform
- bessere Vernetzung der ÖH
Weitere Infos zur ÖH-Wahl 2021
Titelbild (c) Wyron A./unsplash.com
Super Zusammenfassung! Vielleicht wähle ich dieses Jahr sogar nach den Wahlprogrammen der Fraktionen und nicht nur nach dem Prinzip: ich wähl die XPÖ, also wähle ich die X-Studentenfraktion.