In der Vergangenheit haben wir bereits über die finanziellen Hürden für sichere Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche in Österreich berichtet. Während der momentanen Krisensituation entwickeln sich besondere Herausforderungen und Unsicherheiten für ungewollt schwangere Frauen. Die Initiative CHANGES for Women hat uns zum Thema Schwangerschaftsabbruch während Corona, sowie zur Arbeit des Vereins allgemein, einige Fragen beantwortet.
Ihr Verein wurde Ende 2018 gegründet. Was waren die Beweggründe dahinter?
Es war ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Eine der Gründer*innen hat in den Jahren zuvor als Sozialarbeiterin in einem Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung in Berlin gearbeitet. In ganz Deutschland werden bis zu einem Einkommen von 1200€ die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch übernommen. In Berlin werden zusätzlich noch die Kosten für Verhütungsmittel bis zu einem bestimmten Einkommen übernommen. Zurück in Österreich, wo die Kosten von den Einzelnen selbst getragen werden müssen. Bei einem Fall in Niederösterreich wurde einem minderjährigen Mädchen, welches durch eine Vergewaltigung schwanger wurde, die Kostenübernahme des Abbruchs verwehrt. Andererseits wurde Anfang 2018 die Bürger*inneninitiative #fairändern gegründet, durch welche der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich erschwert wurde. CHANGES for Women wurde quasi als Zwischenlösung gegründet, bis sich die Situation für Betroffene in Österreich verbessert. Solange Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche nicht von den Krankenkassen übernommen werden, wird es uns brauchen.
Betroffene aus dem Burgenland müssen in die umliegenden Bundesländer reisen, in Vorarlberg und Tirol gibt es nur jeweils einen Arzt, der Abbrüche durchführt.
Wie genau gestaltet sich die Tätigkeit von CHANGES for Women? Können Sie kurz zusammenfassen, welche Ziele Ihr Verein verfolgt bzw. wie genau sich die Arbeit gestaltet?
CHANGES for Women ist keine aktionistische Initiative. Wir sind ein unabhängiger Verein aus Privatpersonen denen es ein Anliegen ist, den Zugang zu benötigten Schwangerschaftsabbrüchen für Betroffene zu ermöglichen. Unser Fokus liegt darauf, Spenden zu lukrieren um Betroffene in finanziellen Notlagen schnell und unbürokratisch zu unterstützen. Wir sind also die Schnittstelle zwischen Menschen, die helfen wollen und denjenigen, die diese Hilfe akut benötigen. Das heißt konkret: eine ungewollt Schwangere meldet sich per Mail bei uns. Wir nehmen dann telefonischen Kontakt auf und klären kurz ihre finanzielle Situation. Entweder kann sie dann ein zinsloses Darlehen bekommen oder wir senden der durchführenden Klinik eine Bestätigung der Kostenübernahme zu. Zusätzlich versuchen wir, auf unserer Website – diese ist noch im Aufbau – leicht zugängliche Informationen über die Situation in Österreich darzustellen. Wir sind jedoch keine Beratungsstelle.
Als Reaktion auf Covid19 haben Spitäler keine „akuten“ Operationen durchgeführt, mittlerweile ist die Rede von einer schrittweisen Rückkehr zum Normalbetrieb. Was bedeutet das aktuell für Frauen, die in dieser Zeit einen Schwangerschaftsabbruch benötigen bzw. benötigt haben?
Dazu müssen wir kurz ausholen: In Österreich werden nicht in allen öffentlichen Spitälern Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Ärzt*innen sind nicht dazu verpflichtet, diese Leistung zu erbringen – außer es besteht unmittelbare Gefahr für das Leben der Schwangeren. Da es keine Verpflichtung gibt, steht es sehr schlecht um die Versorgungslandschaft und auch die Preise unterscheiden sich enorm. Es gibt Bundesländer, in denen keine einzige öffentliche Klinik Abbrüche durchführt. Betroffene aus dem Burgenland müssen in die umliegenden Bundesländer reisen, in Vorarlberg und Tirol gibt es nur jeweils einen Arzt, der Abbrüche durchführt. Während der Covid19-Krise, wo es Ausgangsbeschränkungen gibt, verschärft sich diese schlechte Versorgung noch mehr. In Wiener Spitälern ist der Abbruch mit ca. 320€ am günstigsten. In privaten Kliniken in Wien müssen die Betroffenen mit Preisen bis zu 700€ rechnen, in den Bundesländern zum Teil bis zu 1000€. Dies ist für viele so kurzfristig nicht machbar. Außerdem sind die Beratungsstellen, die an die Spitäler angebunden sind und in denen sich die Betroffenen für einen Abbruch im Spital beraten lassen müssen, zurzeit nur telefonisch erreichbar. Dies kann für viele eine zusätzliche Hürde darstellen, wenn zum Beispiel der Partner nichts vom Abbruch mitbekommen soll und es schwierig ist, zu Hause in Ruhe zu telefonieren.
Hat sich die Corona-Krise bereits in Ihrer Vereinsarbeit bemerkbar gemacht? Haben sich etwa mehr Frauen als gewöhnlich bei Ihnen gemeldet und um finanzielle Unterstützung gebeten?
Es ist noch zu früh, um darüber Bilanz zu ziehen. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche vorgenommen und wir sind jetzt erst in der achten Woche der Corona-Maßnahmen angekommen. Wir rechnen damit, dass durch die Folgen der sozialen Isolation die Zahl ungewollter Schwangerschaften steigen wird. Einerseits, da Expert*innen eine Zunahme häuslicher Gewalt erwarten, andererseits, weil Paare mit Kinderwunsch die aktuelle Situation vielleicht nicht als idealen Zeitpunkt ansehen und auch der Zugang zu Verhütungsmitteln zum Teil erschwert ist. Außerdem sind durch die zugespitzte Situation am Arbeitsmarkt die Kosten für einen Abbruch nun einmal mehr eine große Belastung für Betroffene. Da unsere Initiative noch sehr jung ist, wissen viele auch noch nicht von uns. Aber wir sind schon da und hoffen, dass diejenigen, die unsere Unterstützung benötigen, Kontakt mit uns aufnehmen werden.
Auch in Nicht-Krisenzeiten stellen in Österreich die sehr hohen Kosten für Schwangerschaftsabbrüche eine große Hürde dar. Gäbe es hier Ihrer Meinung nach Staaten die für Österreich beim Thema Schwangerschaftsabbruch Vorbild sein könnten?
Es gibt eine Reihe von europäischen Ländern, in denen die Kosten von einem Abbruch nicht von den Betroffenen selbst übernommen werden müssen. Hier geht der Blick in die Niederlande oder nach Norwegen. In den Niederlanden werden die Kosten über einen Zuschuss des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport erstattet, während in Norwegen der Schwangerschaftsabbruch als Noteingriff aufgefasst wird und keine Kosten auf die Betroffenen zukommen. Des Weiteren werden in Norwegen in allen Krankenhäusern Abbrüche durchgeführt, wenn sie über eine gynäkologische Abteilung verfügen. Während in Schweden von den Betroffenen nur eine geringe Gebühr bezahlt werden muss – die Kosten werden fast vollständig von der nationalen Gesundenversicherung übernommen – übernimmt in der Schweiz die Krankenkasse die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs.
Ungewollte Schwangerschaften müssen endlich als medizinische Notfälle anerkannt werden und raus aus dem Strafgesetzbuch.
Hätten Sie sich beim Thema Schwangerschaftsabbruch und im Bereich Frauengesundheit allgemein mehr Zugeständnisse bzw. Ziele seitens der Türkis-Grünen Regierung gewünscht? Im aktuellen Koalitionsabkommen?
Im Regierungsprogramm ist weder das Wort Schwangerschaftsabbruch noch Abtreibung zu finden. Bei dem Thema wird auf den “Aktionsplan Frauengesundheit” verwiesen, dessen Umsetzung als besonders bedeutsam betitelt wird. In diesem Aktionsfahrplan wird der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in allen “Schwerpunktkrankenhäusern” in allen Bundesländern als langfristiges Ziel genannt. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, dass Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Spitälern durchgeführt werden können. Es wurde weder eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen noch eine Preisregulierung erwähnt. Außerdem gibt es keinen Hinweis darauf, dass der “Tatbestand” des Schwangerschaftsabbruches aus dem Strafgesetzbuch entfernt wird. Beim Thema Verhütungsmittel wird lediglich davon gesprochen, dass sie “leistbar” sein müssen, auch hier ist keine Rede von Kostenübernahme.
Wenn Sie sich heute direkt an die Regierung wenden könnten, was wären konkrete Wünsche bzw. Forderungen des Vereins, um die Situation von ungewollt schwangeren Frauen zu verbessern?
Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche müssen als Kassenleistung von den Krankenkassen übernommen werden. Schwangerschaftsabbrüche müssen in allen öffentlichen Spitälern angeboten werden und es braucht eine bundesweite, einheitliche Preispolitik. Ungewollte Schwangerschaften müssen endlich als medizinische Notfälle anerkannt werden und raus aus dem Strafgesetzbuch. Frauen* müssen selbstbestimmt über ihr Leben und ihre Zukunft entscheiden dürfen.
Weitere Informationen
Die Initiative: changes-for-women.org
Auch die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung (ÖFG) bietet umfangreiche Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich (inklusive Listen zu Beratungsstellen und Ärzteniederlassungen).
Vor kurzem hat der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser auch eine Petition für Kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen gestartet.
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