Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Ein unüblich langer Kommentar zu Trump und dem Impeachment.
Wenn man in Post-Ibiza-Österreich lebt, ist man derart an wöchentliche Enthüllungen gewöhnt, dass man beinahe vergessen könnte, dass es auch anderswo ziemlich zugeht. Etwa in den USA, wo das Impeachment-Verfahren gegen Präsident Trump zeigt, wie tief die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern sind.
Nochmal ganz von vorne
Der Ausgangspunkt des Verfahrens, das in letzter Konsequenz Trumps Amtsenthebung zur Folge haben könnte, war ein Telefonat des US-Präsidenten mit dem Präsidenten der Ukraine Zelensky. Darin macht Trump klar, dass er sich von Zelensky wünscht, Ermittlungen gegen den Sohn des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden einzuleiten. Bidens Sohn war nämlich geschäftlich in der Ukraine tätig.
Besonders interessant wurde es, als herauskam, dass der Präsident kurz vor dem Telefonat 400 Millionen Dollar an bereits bewilligter Militärhilfe für die Ukraine in letzter Sekunde blockierte. Die Demokraten meinen, dies geschah, um Druck auf Zelensky auszuüben.
Außerdem scheint die gesamte Außenpolitik der Trump-Administration in Bezug auf die Ukraine alles andere als transparent zu sein. Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani dürfte immer wieder interveniert haben, ohne dabei irgendein offizielles Amt zu bekleiden. Das geht so weit, dass einige ehemalige Top-Diplomaten von einer Schatten-Außenpolitik sprechen.
Ablenken auf Kosten des Rechtsstaats
Im Angesicht dieser und einiger weiterer Verdachtsmomente scheint es nur logisch, dass man sich anschaut, was in der Ukraine vor sich gegangen ist. Jeder überzeugte “Verfassungspatriot” müsste doch ein Interesse an der Aufklärung dieser fragwürdigen Vorgänge haben. Die Republikaner in den beiden Häusern der US-Legislative dürften das allerdings anders sehen.
Der Senatsabgeordnete Lindsey Graham sagte etwa in einem Interview auf Fox News: “Das Verfahren ist so lange illegitim, solange man nicht weiß, wer der Whistleblower ist.” Gemeint ist damit jene Person, die das Telefonat zwischen Zelensky und Trump meldete. Das erinnert ein wenig an die Verteidigung, an der sich H.C. Strache nach Ibiza versuchte, als er die Urheber des Videos als das eigentliche Problem darstellte. In beiden Fällen ist die Ablenkungsstrategie natürlich leicht zu durchschauen. Denkt man zu Ende, welche Konsequenzen es für eine Person haben könnte, die den Kommandeur des größten Militärapparats der Welt einer Straftat beschuldigt, ist vollkommen logisch, warum diese anonym bleiben muss. Das macht ihre Aussagen aber nicht weniger relevant.
Hört man den Republikanern in House und Senate zu, so offenbart sich, dass das politische System der USA an der Wurzel dieses Übels sitzt. Der Machterhalt der Fraktion hängt nämlich maßgeblich mit der Person Donald Trump zusammen. Verliert er, verlieren die Republikaner. Deshalb scharen sie sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, alle hinter Trump, den sie wohl, bis er die Wahlen für sie gewann, für eine Witzfigur gehalten hatten. Immer wieder versuchen sie jetzt durch Störaktionen die Legitimität des Impeachment-Verfahrens in Frage zu stellen. Sie sehen nicht mehr über ihre Parteimitgliedschaft hinaus und das ist eine gefährliche Entwicklung für die Demokratie.
Wenn wir einen Präsidenten, der seine Macht zum persönlichen Vorteil missbraucht, nicht seines Amtes entheben können, dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie. Dann leben wir in einer Monarchie oder einer Diktatur.
Diese Woche meinte der von den Demokraten als Zeuge geladene Rechtsprofessor Noah Feldman: “Wenn wir einen Präsidenten, der seine Macht zum persönlichen Vorteil missbraucht, nicht seines Amtes entheben können, dann leben wir nicht mehr in einer Demokratie. Dann leben wir in einer Monarchie oder einer Diktatur.” Und damit hat er recht. Das Ziel eines Verfahrens, ob man nun glaubt, dass Trump schuldig ist oder nicht, muss sein, zu ergründen, ob ein Tatbestand erfüllt ist. Wenn man aber nun schon vor einem solchen Verfahren versucht, dieses zu torpedieren und als unrechtmäßig abzustempeln, dann bewegt man sich einen großen Schritt in Richtung Autoritarismus.
Kinder brauchen Grenzen
Die Demokraten werden aller Wahrscheinlichkeit nach bis Ende Dezember das Verfahren zur Abstimmung bringen und vermutlich wird die Abstimmung im House auch für ein Impeachment ausfallen. Danach ist der von Republikanern kontrollierte Senate am Zug. Man kann nur hoffen, dass wenigstens einige Republikaner dem Verfahren eine faire Chance geben, denn im Moment sitzt ein gefährlicher Egomane im weißen Haus. Wenn die Republikaner sich nicht auf ihre verfassungsmäßigen Pflichten besinnen, dann hat Trump auch noch den letzten Beweis, dass er tatsächlich machen kann, was er will.
Comitted to the best obtainable version of the truth.