Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Warum die Öffnung der Bundesgärten dringend notwendig ist.
Die Sperre der österreichischen Bundesgärten, also unter anderem des Schlossparkes Schönbrunn und des Wiener Augartens, bleibt bis auf weiteres aufrecht. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) appelliert deswegen an die Bundesregierung. Er meint, dass Menschen, die in kleinen Wohnungen leben, den Bewegungsraum Wien brauchen, da ihnen sonst die Decke auf den Kopf falle, während Menschen mit „großen Wohnungen mit Terrasse und Garten“ natürlich besser damit umgehen können.
Abseits des Kleinkrieges zwischen Landes- und Bundesregierung offenbart dieses Beispiel, wie auch die Coronakrise im Allgemeinen, wie ungleich Lebensraum in unserer Gesellschaft verteilt ist.
Während die gut situierte Mittel- und Oberschicht sich in großräumigen Altbauwohnungen oder Einfamilienhäusern Räume schaffen kann, die eine Selbstisolation erträglich machen, werden kleine Gemeindebauwohnungen schnell zu kafkaesken Zellen. Für viele von uns ist der öffentliche Raum ein erweitertes Wohnzimmer, in das man sich retten kann, sollten die eigenen Wände näherkommen zu scheinen. Solange man das in angemessenem Abstand tut, ist das nicht nur nicht verwerflich, sondern oft dringend notwendig.
Wenn man sich also in Social-Media oder sonstwo darüber empören möchte, dass eine Familie Luft schnappen geht, dann soll man dem inneren Blockwart bitte von mir ausrichten lassen, dass er sich schön wieder in jenes dunkle Loch verziehen soll, in das Österreich seit eh immer schon, alle unangenehmen Aspekte der eigenen Geschichte packt.
Wir brauchen einen Funken Normalität, um nicht als Gesellschaft durchzudrehen. Natürlich ist es für Politiker aktuell nicht attraktiv, sich auch mit diesen Aspekten der Krise auseinanderzusetzen. Im Kampf gegen Corona kann man sich wunderbar als glänzender Ritter gegen ein böses Monstervirus inszenieren. Ein alle in zu engen Wohnungen Gefangene langsam erfassender Lagerkoller, macht keinen so medienwirksamen Gegner.
Dabei wäre eine Auseinandersetzung mit den psychosozialen Aspekten der Krise nicht weniger wichtig und dazu gehört eben auch, Wiener*innen die Möglichkeit zu geben, sich an nicht zubetonierten Orten zu bewegen, gerade um uns alle gesund zu halten. Das sehen übrigens auch Virologen so.
Mal sehen, ob die Kriseneintracht in der Bundesregierung hält und die Bundesgärten weiter geschlossen bleiben, allzu grün fühlt sich diese Entscheidung, wie so vieles seit Regierungsantritt, nicht an.
Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) und Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sind wegen der Causa Bundesgärten diese Woche auf jeden Fall schon aneinander gekracht. Während Hebein Straßen sperren und zu temporären Begegnungszonen machen wollte, ging es Ludwig nur um die Öffnung der Bundesgärten. Beide wollten aber auf das jeweils andere Konzept nicht eingehen.
Eine innovative Idee hierzu: Beides machen und Wien auch in Corona-Zeiten als eine der lebenswertesten Städte der Welt erhalten.
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