Die ÖVP hat im ganzen Land Stimmen gewonnen und Sebastian Kurz hat ausgiebig Wahlkampf gemacht. Dennoch kann die fast sektitiöse Verehrung, die diesem Mann entgegengebracht wird fragwürdig gesehen werden. Dieser Artikel legt den Fokus auf das „Phänomen“ der Landschaftswerbung, um zumindest einen Teil des Bildes „Kurz-Wählerschaft“ analysieren zu können.
Die Nationalratswahl ist endlich geschlagen, mittlerweile ist das Spektakel schon wieder ein paar Wochen her. Zurzeit dominieren die Sondierungsgespräche zwischen Kurz und Kogler die Medien. Manche haben die Überzahl an Stimmen für (Mitte-)Rechts Parteien vielleicht schon verdaut, wieder andere feiern das womöglich noch. In jedem Fall wird es Zeit sich zu fragen: Wie ist denn das passiert?
Natürlich gibt es für Wahlausgänge eine Vielzahl an Erklärungsmodellen. Man könnte sich Einkommensklassen ansehen, um Verbindungen zwischen sozioökonomischen Verhältnissen und Wahlentscheidung herzustellen oder auch politische Selbsteinschätzung als Erklärung heranziehen. Derart großangelegte Studien gibt es aber zur Genüge, darum möchte ich den Finger hier auf etwas ganz Konkretes legen: Menschen in ländlichen Gebieten, die mit enormen persönlichem Einsatz für Sebastian Kurz Werbung machen. Das Phänomen nennt sich „Landschaftswerbung“ (Nachgooglen empfohlen), steht in Verbindung mit dem Slogan „Wir für Kurz“ und schmückt Felder und Zugstrecken in strahlendem Mitte-Rechts-Türkis.
Es geht also darum, möglichst öffentlich und stolz seine politische Orientierung darzustellen. Während dies vielleicht etwas für die ältere Generation ist (man braucht dafür ja auch zumindest einen Vorgarten bzw. ein Feld), so gibt’s auch für die Jungen die Möglichkeit seinem Umfeld „ICH WÄHLE SEBASTIAN KURZ“ subtil ins Gesicht zu schreien. Auf der Homepage jetzt.wir-fuer-kurz.at kann man mit einem Klick sein Titelbild mit einem schönen Sebastian ersetzen oder einen hübschen türkisen Smartphone Hintergrund downloaden (https://www.wir-fuer-kurz.at/kurz-waehlen/).
Bewegung > Inhalte
Das alles ist natürlich weniger politische Kampagne als Teil einer Bewegung. Mit solchen (gesteuerten) Initiativen lässt sich das Bild vermitteln, dass die Leute nicht einfach eine Partei wählen, die von ihnen isoliert und elitär existiert. Nein, sie haben den Sebastian auch auf Facebook und sie haben die ÖVP-Landschaftswerbung auf dem Felde stehen – sie sind Teil von etwas Großem, das sie hoffentlich nicht enttäuschen wird.
Diese Vorgehensweise schafft es geschickt, Inhalte durch Identifikation zu verstecken. Mensch wählt, wo mensch sich zugehörig fühlt und somit wird auch in seinem Sinne entschieden werden. Auf welche Art und Weise die Kurz’sche Politik dann im Sinne seiner Wählerschaft sein wird, werden wohl erst abgeschlossene Koalitionsverhandlungen offenbaren.
Aber wer sind denn diese Leute?
Wer sind aber nun diese Teile einer Bewegung? Durch einen etwas hochnäsigen Blick von der Stadt auf’s Land wirkt dieses Verhalten absurd. Die braven Schäfchen, die verblendeten Kurz-Fans, scheuen keine Kosten und Mühen, um für ihren Heiland (gratis) Wahlwerbung zu machen. Doch wie schaut das aus der Vor-Ort-Perspektive aus? Tatsächlich scheint es dann ein verloren geglaubtes politisches Engagement zu sein. Menschen finden Politik wieder interessant, ja sogar soweit, dass mensch sich selbst und seine Freizeit dafür einsetzt. Mensch organisiert sich, überlegt die Gestaltung der Landschaftswerbung und startet ein gemeinsames Projekt. Es ist also auch ein Form von Ausdruck. Natürlich steht dahinter immer noch die fragwürdige Werbung für eine Partei mit gleichzeitigem Weglassen von jeglichen Inhalten.
Perspektivenwechsel
Diese doch etwas urban-zentrierte Einschätzung birgt aber auch die Gefahr, die „Leute am Land“ pauschal als etwas andere, schräge Gruppe zu sehen. Aber die ÖVP-Politik ist auch teilweise im Interessier dieser Menschen: Ohne Auto ist Alltag (Arbeiten, Einkaufen, andere Leute treffen) leider schwer möglich, zu strenge Tierschutz- oder Lebensmittelherstellungsregelungen würden Existenzen gefährden bzw. Systeme überflüssig machen. Zudem tut sich kulturell und politisch bzw. kreativ einfach zu wenig. Wenn mensch also verstehen will, wer hier wie für Kurz steht, zahlt es sich schon aus, die Perspektive zu wechseln.
Vandalismus Landschaftswerbung: https://www.meinbezirk.at/schaerding/c-politik/das-haben-wir-noch-nie-gehabt-vandalen-zerstoeren-oevp-wahlwerbung_a2269212)