Der Physik Nobelpreis 2022 geht an Österreich

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Alle, die sich am Dienstagnachmittag in der Fakultät für Physik der Universität Wien aufgehalten haben, konnten kaum den Applaus überhören, der aus einem der Hörsäle kam. Es wurde eine Pressekonferenz abgehalten, denn ein paar Stunden vorher war bekannt gegeben worden, dass der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger einer der diesjährigen Nobelpreisträger für Physik ist. 

Quantenphysik ist nicht gerade das intuitivste aller Wissenschaftsgebiete. Gesetze, die in der klassischen Physik gelten, sind in der Quantenmechanik manchmal anders. Vergesst an dieser Stelle alles, was ihr bisher über Physik wusstet.

Verschränkte Photonen

Die offizielle Begründung der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften, warum der diesjährige Nobelpreis für Physik an Alain Aspect, John F. Clauser and Anton Zeilinger verliehen wird, lautet: “for experiments with entangled photons, establishing the violation of Bell inequalities and pioneering quantum information science”

Ein Schlagwort hier ist die sogenannte “Verschränkung”. Experimente haben gezeigt, dass verschränkte Photonen (Lichtteilchen) offenbar in irgendeiner Weise zusammenhängen, und zwar unabhängig von ihrem Abstand zueinander. Ein Versuchsaufbau dabei ist es, zwei Photonen durch zwei verschiedene, aber gleichgerichtete Filter zu schicken, und zwar in der exakt selben Sekunde. Das Ergebnis zeigt, dass die Photonen entweder beide durch den Filter kommen oder gar nicht. Es kommt nicht vor, dass es nur eines der beiden verschränkten Teilchen durch den Filter schafft.

Ein Ganzes oder doch zwei?

Verschränkte Teilchen sind also irgendwie miteinander verknüpft, oder eher: Beide Photonen bilden zusammen ein Objekt, das sich nicht trennen lässt und nur für unser Verständnis vom Raum so aussieht, als ob es zwei Objekte wären. Alain Aspect schrieb in einem Paper über die Experimente, bei denen Anton Zeilinger in Innsbruck mitwirkte: In some sense, both photons keep in contact through space and time.”

Die große Frage ist hier, woher die zwei Teilchen wissen, was ihre “andere Hälfte” gerade so macht. Einsteins Konzept des “lokalen Realismus” besagt erstens, dass nichts schneller als Licht sein kann (Lichtteilchen können also auch nicht Informationen zu ihrem derzeitigen Zustand schneller als Lichtgeschwindigkeit hin- und herschicken). Zweitens besäßen Teilchen immer einen definierten Zustand. 

Der Weg zur Erkenntnis

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war eine der großen Streitfragen der Physik (respektive zwischen Einstein und Bohr), ob in den verschränkten Teilchen sozusagen “versteckte” Informationen über ihren Zustand seien. Diese würden darüber Auskunft geben, ob sie zum Beispiel durch den Filter kommen oder nicht. Der Gegenvorschlag war, dass man im Vorhinein keine Aussage darüber treffen könne, was mit den Teilchen, die durch die Filter fliegen, passieren wird.

John Stewart Bell erarbeitete in den 1960er Jahren eine Ungleichung (heute als Bellsche Ungleichung bezeichnet), die zutrifft, wenn man die Teilchen “klassisch” physikalisch betrachtet. Die Idee war, dass man anhand dieser Ungleichung sehen könnte, ob es in den verschränkten Teilchen “versteckte” Informationen gäbe oder nicht. John F. Clauser nahm die theoretischen Ideen von Bell auf, entwickelte ein passendes Experiment dazu und konnte 1972 zum ersten Mal zeigen, dass die Bellsche Ungleichung nicht erfüllt wird, womit wurde Einsteins Meinung widerlegt wurde. Außerdem konnten die Theorien der Quantenmechanik, die davor rein theoretisch waren, nun auch experimentell gezeigt werden.
Dieser erste Versuchsaufbau hatte ein paar Mängel, die 1982 von Alain Aspect ausgebessert werden konnten. Anton Zeilinger baute diese Experimente dann weiter aus und konnte so 1997 die erste Quantenteleportation – also die Übertragung einer Art Information – durchführen. 

Technologien wie Laser oder Computerchips wären ohne Quantenmechanik nicht möglich, mit neuartiger Quantentechnik werden neue Methoden der Kryptographie entwickelt. Auch wenn die Quantenphysik sehr science-fiction-mäßig klingen mag und in Filmen oft für wahnwitzige Erklärungen verwendet wird, ist sie eines der bedeutendsten Forschungsgebiete und aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken.


Der Deutschlandfunk hat eine Sondersendung über den Physik-Nobelpreis ausgestrahlt, sie ist hier nachzuhören.

Titelbild © Nobel Prize Outreach. Illustration: Niklas Elmehed.

Studium der Astrophysik. Psychotherapeut*in to be.

Student an der Uni Wien

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